Abriss zur Geschichte der sozial-diakonischen und offenen Jugendarbeit in der Evangelischen Jugend Schwerin

Vor 1979 war die evangelische Jugendarbeit Schwerins geprägt von vielen Jungen Gemeinden in den Schweriner Kirchgemeinden sowie von monatlich durchgeführten Stadtjugendabenden bzw. Stadtjugendgottesdiensten zu denen regelmäßig ca. 100 bis 150 junge Menschen zu erwarten waren. Es gab darüber hinaus Jungschargruppen (Jugendarbeit mit Jungen in der Altersgruppe 9 bis 13 Jahre), eine Studentengemeinde, eine Jugendband, ein Stadt- und Kreisjugendkonvent sowie verschiedene kleine Arbeitsgruppen zu projektbezogenen Themen (z. B. Umwelt- und Baumpflanzkreis, Jugendbläserkreise bzw. Taizegruppen) Die evangelische Jugendarbeit hatte in der „Oase“ auf dem Hinterhof des Diakonischen Werkes in der Apothekerstr. 48 einen eigenen Ort in Schwerin und konnte für Ihre Großveranstaltungen zugleich den angrenzenden Saal an diesem Ort nutzen.

Im März 1979 begann mit der Straßensozialarbeit in der Paulstadt die sozial-diakonische Jugendarbeit als ein neuer Arbeitsschwerpunkt der evangelischen Jugendarbeit Schwerins. Noch im gleichen Jahr wurde für die offene Jugendarbeit  kirchenferner Jugendlicher die Räumen der damaligen „Oase“ genutzt, erweitert und umgebaut. - Zeitungsartikel über die Oase -
Die sozial diakonische Jugendarbeit in Schwerin entwickelt sich so rasant, dass die Räume der „Oase“ bald nicht mehr ausreichten und Dank einer gemeinsamen Initiative der Paulsgemeinde, der Krankenhausseelsorge und der evangelischen Jugendarbeit konnte der Keller unter der St. Paulskirche für die offene Jugendarbeit zur Verfügung gestellt werden.
Junge Leute, die ansonsten mit der Kirche keinen Kontakt hatten, legten selbst Hand an, verlegten in den Kirchenkeller Wasser und Abwasser und renovierten die Räume weitgehend eigenständig. Im November 1981 wurde der Paulskirchenkeller (PKK) im Rahmen einer kleinen Festwoche eröffnet. Viele Kirchgemeindeglieder wollten die neuen Räume der „Jugendlichen von der Straße“ selbst in Augenschein nehmen und die beteiligten jungen Leute wollten feiern und waren stolz über das Erreichte.
Das Landesjugendpfarramt war an der sozial-diakonischen Arbeit interessiert und bildete im Rahmen ihrer Jugendwerkekonferenz ein eigenes Ressort. Die Propstei ihrerseits schuf ein begleitendes Kuratorium, das die sozial-diakonische und offene Arbeit im PKK inhaltlich begleitete und die Fachaufsicht führte. In den Jahren zwischen 1981 bis 1990 arbeiteten in der sozial-diakonischen Jugendarbeit und insbesondere im Paulskirchenkeller immer zwei Sozialdiakone/Innen, die von einer Vielzahl ehrenamtlich Tätiger unterstützt wurden.

Ganz anders wurde die offene und sozial-diakonische Jugendarbeit von staatlichen und städtischen Organen in den 80ziger Jahren wahrgenommen. Da sich pro Abend im PKK bis zu 70 junge Menschen versammelten, die sich zumeist nicht in der FDJ oder anderen staatlichen gelenkten Jugendeinrichtungen beheimatet fühlten, gab diese Arbeit und der Ort  Anlass, zur geheimdienstlichen Beobachtung und Einflussnahme. In einem internen Polizeibereicht aus dem Jahr 1985  ist beispielhaft zu lesen:

„Die ständigen Besucher des Paulskellers stellen eine negative Gruppierung dar. Unter dem Deckmantel religiös kirchlicher Veranstaltungen wurden politische negative Aktivitäten organisiert und durchgeführt. …. Zunehmen wird von der Leitung des verantwortlichen Diakons versucht, Kriminelle und Alkoholiker in den Paulskeller einzubeziehen. …“
Bis 1990 wurden zur sozial-diakonischen Jugendarbeit und zum Paulskirchenkeller vier umfangreiche Stattsicherheitsvorgänge geführt, an denen über 60 hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit und ca. 40 informelle Mitarbeit mitgewirkt haben.

Aus der evangelischen Jugendarbeit der Propstei Schwerin und der sozial-diakonischen und offenen Jugendarbeit ging 1991 die Evangelische Jugend Schwerin hervor, die heute als unselbstständige kirchliche Stiftung und als Träger der freien Jugendhilfe ihre Rechtsform gefunden hat.

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