Predigt (aus dem Brief an Titus, Kapitel 2, Verse 11-13)
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Liebe Gemeinde,
Warten kann anstrengend sein. Warten, dass der Bus oder die Bahn bald
kommt. Warten, dass das Essen bald gar ist. Warten, dass der Besuch bald
kommt oder vielleicht auch endlich geht. Warten, dass die Predigt bald
vorbei ist. Warten, dass die Geschenke bald verteilt werden. Ich denke
Sie kennen das Warten kann sehr anstrengend sein.
Warten gehört auch zur Adventszeit wir kennen es von den Kindern
die fragen:
. wann kommt endlich Weihnachten?
.
Die Adventszeit ist Wartezeit zur Vorbereitung auf das Weihnachtsfest
dass Jesus geboren ist dass die uralte Verheißung erfüllt
wird, dass Gott zu den Menschen kommt.
Die Zeilen, die ich Ihnen jetzt als Predigttext vorlese entstammen
einem Gemeindebrief aus dem Neuen Testament an Titus einen Schüler
von Paulus er soll der ersten christlichen Gemeinde auf Kreta helfen,
wieder auf den richtigen Weg zu kommen und mögliche Streitereien beenden.
Nach vielen Belehrungen und Hinweise einzelne Gruppen in der Gemeinde gegenüber,
steht in diesem Brief:
Denn die rettende Gnade Gottes ist offenbar geworden,
und sie gilt allen Menschen.
Sie bringt uns dazu, dass wir dem Ungehorsam gegen Gott den Abschied
geben, den Begierden, die uns umstricken,
und dass wir besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben,
als Menschen, die mit ganzen Herzen auf die Erfüllung ihrer Hoffnung
warten
und darauf, dass unser großer Gott und Retter Jesus Christus
in seiner Herrlichkeit erscheint.
In diesem Brieftext spielt also auch das Warten eine große
Rolle: Menschen warten auf die Erfüllung Ihrer Hoffnung, dass bald
Rettung (durch Gottes Wiederkommen zu den Menschen) naht. Das bald ein
neues Leben beginnt. Wir wissen, dass es eine Krise in der ersten Gemeinde
auf Kreta gegeben hat vielmehr wissen wir nicht.
Schauen Sie bitte mal auf das Kinderbild auf der Vorderseite des Liedzettels.
Der ca. 10järige Mohamad hat dieses Bild in der Wartehalle der Notunterkunft
im Düsseldorfer Flughafen vor wenigen Tagen gemalt. Eine Bekannte
unserer Familie, Frau Dr. B aus Mohnheim, arbeitet seit einigen Wochen
als ehrenamtliche Helferin auf dem Düsseldorfer Flughafen und nimmt
die vielen Menschen entgegen, die mit den Sonderzügen aus Passau über
dieses Drehkreuz in der ehemaligen Lobby des Düsseldorfer Flughafens
weiter in andere Bundesländer verteilt werden. Etliche Hundert Flüchtende
und Zuwanderer werden pro Woche an diesem Ort erstmals registriert und
dann auf ihre weitere Reise gesandt. Es sind Menschen, die bereits eine
lange Flucht hinter sich und an vielen Stationen und Grenzen unendlich
lange gewartet haben.
Der 10Jährige hat in dieser kleine Ruhe- und Wartephase in der
Lobby des Düsseldorfer Flughafen auf einem Stück Abfallpapier
gemalt, was ihn in den letzten Tagen bewegt hat: Menschen in einem Boot
und in einem Bus; die Menschen im Bus scheinen zu lachen sie habe es
geschafft.
Liebe Gemeinde, wenn wir in diesem Jahr über die Botschaft von
Weihnachten nachdenken und erzählen, kommen wir gar nicht umhin, über
die gegenwärtige Zuwanderung zu sprechen.
So mancher von Ihnen wird vielleicht denken, jetzt fängt der auf
der Kanzel auch noch mit diesem Thema zu Weihnachten an; reicht es nicht
schon, wenn wir jeden Tag davon im Radio, in den Zeitungen, im Internet
und über das Fernsehen davon erfahren.
Warum auch ich heute in dieser Kirche davon anfangen muss und gar nicht
anders kann, - das will ich Ihnen mit wenigen Worten beschreiben:
Zum einen ist die Geburt Jesu, die wir Weihnachten feiern, ebenso eine
Fluchtgeschichte, mit eigentlich grausamen Rahmenbedingungen. Wir haben
zwar alle ein romantisches Bild vor Augen vom Stall, Hirten, Ochs und Esel,
den Engeln, einem Jesuskind in der Futterkrippe und einer sanft ´dreinschauenden
Mutter Maria, - aber da müssen zwei Menschen ihre Heimat verlassen,
um an einem für sie fremden Ort registriert zu werden. Und bevor das
Morden auf der Straße beginnt (Kindermord von Bethlehem), flüchten
sie in ein noch weiter entferntes fremdes Land.
Die Bibel beschreibt uns mit klaren Worten, dass Jesus, als Gottes
Sohn und Retter der Menschheit, in absoluter Armut, auf der Flucht und
eigentlich unter unverantwortlichen Bedingungen geboren wird.
Und zum anderen zwingt mich, dass Thema Zuwanderung nicht in diesen Tagen nicht unberührt lassen, weil die Bibel keinen Zweifel daran lässt, dass der Fremde unter dem besonderen Schutz Gottes steht. Es gibt viele Stellen im Alten und im Neuen Testament, die uns sinngemäß auffordern, den Fremden nicht unversorgt und allein zu lassen. Ja, - dass es sogar unser Schaden sein kann, im Fremden nicht zugleich auch Gott zu erkennen.
Unserem mecklenburgischen Bischof ist von einem Freund unlängst
gesagt worden, dass es Zuwanderung in Mecklenburg immer schon gegeben hat;
und zumeist hat unserer Land davon profitiert. Es waren z. T. sehr fromme
Menschen die als Ostpreußen und anderweitig Vertriebene nach 1945
hier Heimat gefunden haben. Es waren auch sehr fromme Christenmenschen,
die Anfang des 18. Jahrhunderts als reformierte Hugenotten nach Mecklenburg
kamen, um Bützow herum siedelten, ihr Handwerk betrieben und ihren
Glauben praktizierten.
Wer von uns weiß schon genau, ob er nicht selbst aus einer Flüchtlings-
,oder wie die Alten früher sagten, -Vertriebenenfamilie kommt; er
oder sie sitzen heute Abend mitten in der Kirche zu Kirch Stück unter
uns und kennen vielleicht noch die Fluchtgeschichten der Alten. Auch das
alte Dorf Kirch Stück wurde nach dem letzten großen Krieg deutlich
aufgesiedelt und viele Flüchtlingsfamilien haben hier Heimat gefunden.
Ich wage mal zu behaupten, dass in Mecklenburg noch kirchliches Leben so
lebendig ist, haben wir vor allem den vielen engagierten Hinzugezogenen
nach 1945 und den vielen Zuwanderern aus Sachsen und Thüringen in
den 70ziger Jahren zu verdanken, die in drei Nordbezirken zu DDR-Zeit Arbeit
und Wohnraum gefunden haben.
Jetzt werden viele von Ihnen aber denken, da ist was ´dran, aber
die jetzigen Zuwanderer und Flüchtlinge kommen heute aus einem ganz
anderen Kultur- und Religionskreis und sind nicht vergleichbar mit den
aufgezählten Beispielen. Deren Lebens- und Verhaltensweisen sind mit
den Unsrigen, Deutschen, doch sehr verschieden.
Ja, - das ist so.
Aber es bleibt dabei, wie an dem Brief an Herrn Titus geschrieben:
. die rettende Gnade Gottes ist offenbar geworden, und sie gilt
a l l e n Menschen
Die zentrale Botschaft von Weihnachten lautet demnach: Alle Menschen
sind gemeint, egal welcher Religion, Kultur, Geschlecht, Hauptfarbe oder
politischen Gesinnung sie entstammen. Auch wenn es uns schwer fällt
zu denken Gott macht keine Unterschiede.
Und warum ist das so? Wie müssen wir das verstehen?
die rettende Gnade ist offenbar geworden
. - steht im Text.
Unser Gott hält sich nach Weihnachten nämlich nicht mehr versteckt
und bleibt gerade nicht unnahbar und unberührbar. In dem was Jesus
in seinem weiteren Leben getan hat, wie er mit seinen Mitmenschen (und
auch mit den Fremden) umgegangen ist, zeigt er uns, wie Gott wirklich ist.
Kein entfernter großer Götze, strafender oder maßregelnder
Gott, kein fanatische Gott, kein Gott der bedingungslosen Gehorsam verlangt,
sondern als ein guter Vater allen Menschen beschreibt Jesu Gott.
Mit Weihnachten setzt Gott sogleich seine Zeichen: Solidarisch mit
den Armen und mit den leichtgläubigen zu blendenden und schnell zu
begeisterten Hirten beginnt er die Geschichte mit Jesus in einem erbärmlichen
Stall.
Gestatten Sie mir noch einige Worte im Plattdeutschen der Sprache,
die vielleicht so manchem unter Ihnen etwas dichter ans Herz gelegt ist:
Ick weit ok, min leive Tauhürrers, dat so manch´ een von
juch bannig Angst hett vor de fremde Lüüd, de nu tau uns kamen.
Ick hür dat ok öfters in min Bekannten- und Frünn´krein:
Gifft dat nun bi uns ok bald een Attentat? denk de een.
Möt ick nun wat teil´n und wat affgäben von den Sakens,
de ick mi tosamm´n erarbeitet hab; orrer ward min Rente kötter?
denkt villicht een anner.
Un wohin mit so veel jungsche Mannslüd, dat kann do nich gaut
gahn! denkt wull noch een anner.
Angst möt man irnst nähmen har ick liert. Över dit
grot Angst kann ok moal de Luft untgahn, wenn man de Sack mal vun de anner
Sieht sick bekieckt. Angst un Bammel ist as een grot Gespinnst/Spök,
dat tomeist un oft ut veel Luft un Blubber besteiht. Un es giwt mannig
Lüüd, de uns veel Luft in de Angst pusten. Oewer woans de Angst
de Luft untgeiht - dat will nun mit Juck besnaken:
Bedenkt doch moal: De iersten Christenmenschen de uns Apostel tauhürten,
woor de Paulus hin schräben hett, de seihn all so ut, as de Lüüd,
de jetzt ut Syrien kamen sünd. De ierst christlich Gemeen sünd
all in Syrien entstanden.
De, de nu tau uns kamen sünd, sünd tomeist de, de bäter
läsen und schrieben künn´n und de wat liert harn orrer
bi uns wat liern wull´n. Dat sünd keen Schacherer, böse
Lüüd und Spitzboov, dat sünd all Minschen, de sülvst
Angst um ehr Läben har´n.
Un fromm sünd se ok tomeist und to Freeden kamen, - dat wulln´s
ok alle.
De, de keenen Gott har´n, orrer de, de nie nich taulaten künn´n,
dat man ok anners an Gott glöwen kann, de Klookschieters und Fanatikers
in all de Religionen, de maken mi veel mihr Angst.
Wecker mit ganz Harten up de Erfüllung von Gotts Verheitung wartet,
de ritt sick keen Striet up´n Lief.
Latt uns man dorbi bliwen, as Jeus bi Lukas het secht: Wi sall mit
de anner Minschen so ümgahn, as wie wull, dat se mit uns ümgahn!
Dis gold´ Regel hett wull veel Minschen all hulpen.
Wie heit dat bi´n Titus-Breif: Denn hell und klor worden ist
Gotts Gnad. Sei bringt dei ganzen Minschen Heil.
Woans sall du nu gahn?
Wenn wie unner Gotts Gnad steihn und fründlich - man künn´ok
seggen hell und klor - up de tautrocken´n Minschen
taugahn, dann verännert sick wat. Uns Art und Wies ist de Spegel orrer
das Schaufinster von uns Hart dat spührn de Tautreckten tauierst.
Wi künn´n uns dorup verlaten, dat uns Gott up dissen Weg nie
nich alleen laten wird.
De Gnad un de Leiv Gotts, de gröter is as alln´s war wi weten
und wat uns plietsch dücht, de sei nu oever uns un üm uns,
Amen
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